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26.03.2021
Unumstritten sind es gerade unsere Kinder, die in der Pandemie das Nachsehen haben. Freunde, Kita, Schule, neue Einflüsse von außen… Vieles kann gerade nur in reduzierter Form stattfinden oder fällt ganz weg. Verständlich, wenn sich da Sorgen breit machen, wie ein angehendes Schulkind trotzdem zu den Voraussetzungen kommt, die eine gute Basis für sein späteres Schulleben bilden.
Aber was braucht ein Kind überhaupt, damit es sich gut in der Schule zurechtfindet?
Was ist eigentlich an Schule anders oder neu im Vergleich zu dem, was zuvor von einem Kind erwartet wurde? Und was können Eltern tun, um den Eintritt in die neue Lebensphase als Schulkind für ihr Kind zu begünstigen?
Zuallererst einmal möchte ich der Annahme widersprechen, dass ein Kind lesen, schreiben oder rechnen können muss, wenn es in die Schule kommt. Auch sind weder die Kenntnis der Buchstaben noch des Alphabets grundlegend. Um das zu lernen, ist die Schule da…
Es kommt vielmehr auf Dinge an, die uns kaum im Zusammenhang mit Schulerfolg einfallen. Alltägliche Situationen sind es, die wichtige Vorläuferfertigkeiten für die Schulzeit aufbauen, die aber oft nicht genutzt werden. Dabei ist die Förderung von Vorschulkindern gar nicht schwer. Sie sind vergleichbar mit Schwämmen, die alles aufsaugen, wenn man ihnen die Gelegenheiten, die Lernanlässe, bietet. Wie das aussehen kann, möchte ich in wenigen Beispielen anreißen:
Allein das Schreibenlernen besteht aus vielen einzelnen Fähigkeiten, zum Beispiel Laute differenzieren, diesen Zeichen zuordnen und diese zusammensetzen. Es ist ein „gewachsenes“ Vorwissen über Sprache, welches man nicht erklärt bekommen kann, sondern das sich aus Vorerfahrungen neu aufbaut. Diese Vorerfahrungen sind die „Bausteine“ auf denen sich das Gelernte in der Schule entwickeln wird und ohne die der Schulalltag anstrengend werden kann.
Wie aber bekommen Kinder dieses hilfreiche Handwerkszeug, damit der Schulstart gelingt?
Hier einige Beispiele, wie eine alltägliche Förderung der Grundlagen für den Schreiblernprozesses aussehen könnte:
• Ein Kind geht mit zum Einkaufen und sieht Logos und Aufschriften auf Verpackungen, etc. – viele Schriftbilder, die es nicht zwar nicht lesen kann, aber deren Benennung es kennt (zum Beispiel ein Glas Gewürzgurken. Dabei ist es egal, ob auf dem Glas Cornichons steht. Das Kind verknüpft hier sein erstes „Lesegefühl“). Es lernt: Zeichen bilden Worte ab. Diese Zeichen haben eine Bedeutung. Ich kann mich mit Schriftzeichen mitteilen. Es kann den Sinn im Lesen- und Schreibenlernen sehen und Lernmotivation aufbauen.
• Ein Elternteil liest seinem Kind etwas vor und fährt zur eigenen Orientierung mit dem Zeigefinger entlang der gelesenen Worte. Das Kind lernt die Lese- und Schreibrichtung kennen und verinnerlicht die Orientierung von links nach rechts, die später beim Lesen und Schreiben wichtig ist.
• In einer Familie werden traditionelle Kinderlieder gesungen. Manchmal wird mitgeklatscht. Das Kind lernt, wie sich Reime anhören, wie sie gebildet werden. Durch das Mitklatschen lernt es Wörter in Silben zu gliedern, was ihm später beim Bilden eigener Schreibwörter hilft.
Keine dieser geschilderten Lernsituationen ist dem Kind als solche bewusst, und dennoch sind es diese unzähligen Gelegenheiten im Alltag, die für einen gelingenden Schulstart die nötigen Grundlagen schaffen.
Im mathematischen Bereich ist das nicht anders: Wichtig ist, dass vor dem Erlernen der Buchstaben oder Zahlen viele (meist unbewusste) Begegnungen mit Mengen, gesprochenen und geschriebenen Wörtern und Texten stattfinden, um Erfahrungen mit Sprache, Schriftsprache und Zahlenwerten aufzubauen.
Ein Kind, das beim Einkaufen helfen darf, die benötigte Anzahl der Waren in den Korb zu legen versteht den Zusammenhang zwischen Mengen und Zahlen. Den Tisch für fünf Personen zu decken, mit der gleichen Anzahl an Tellern, Gabeln und Messern und diese ordentliche auf dem Tisch anzuordnen, wird nicht nur dem Mengenverständnis des Kindes dienlich sein, sondern auch seinem Gefühl, Verantwortung tragen zu können.
Wobei wir bei einer der wichtigsten Voraussetzungen für einen guten Start in das Schulleben angekommen sind:
Der neue Lebensabschnitt „Schule“ erfordert von Kindern ein hohes Maß an Selbststeuerung, wie es im Vorschulalter in Kindergärten – aber vor allen Dingen – in der eigenen Familie „aufgesaugt“ werden. Um in der Schule gut lernen zu können, braucht ein Kind ein Repertoire an Fähigkeiten, das ihm hilft, sich im Schulalltag anzupassen und seine Aufmerksamkeit in die Richtung lenken zu können, wo sie gerade gebraucht wird. Es muss zwar um seine Bedürfnisse wissen, aber auch erkennen, wann es ihnen nachgehen darf und wann sie kurzzeitig zurückgestellt werden sollten, weil in einer Gemeinschaft auch die Bedürfnisse anderer Personen Berücksichtigung finden müssen.
Man könnte fast sagen, es ist vor allem der „heimliche“ Lehrplan im (familiären) Miteinander, der Kinder für den nächsten Schritt der Selbstständigkeit rüstet. Er baut Fähigkeiten auf, ohne dass das Ziel als Lerninhalt thematisiert wird, ist absolut alltagstauglich und viel weniger entbehrlich als ausgewiesene Vorschulspiele.
Und genau darin liegt die Chance in der Krise, denn das, was für den Schulstart hilfreich ist, liegt meines Erachtens mehr im Alltag als man annimmt.
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Autorin:
Corinna Heller ist Grundschulrektorin und Mutter eines 13-jährigen Sohnes
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