Ein Mädchen spritzt sich mit einem Pen Insulin
Der Alltag mit Diabetes

von Yvonne Antoni – 28.01.2022

Symbolbild: © oksix – stock.adobe.com

Johanna* war neun Jahre alt, als sie die Diagnose Diabetes Typ I bekam. Über das Leben mit der chronischen Erkrankung haben wir mit ihr gesprochen.

Johanna, wie erlebst du deine Erkrankung?
Allgemein ist es so, dass man es immer im Kopf behalten muss. Denn es kann etwas passieren, wenn man es vergisst. Es ist schon immer da, man muss darauf aufpassen.
Wenn ich aus dem Haus gehe, muss ich immer meine Sachen mitnehmen, also Traubenzucker, Handy, Notfallspray und Messgerät.
Aber wenn ich in den Spiegel schaue, dann denke ich nicht, ich bin eine Diabetikerin, sondern ich sehe andere Seiten von mir. Die Krankheit ist nicht der Hauptbestandteil meines Lebens.
In der Schule haben wir immer nur 15 Minuten Pause, was sehr kurz ist. Da geht mir Zeit verloren, wenn ich mich noch messen und die Pumpe einstellen muss. Wenn ich mein Pausenbrot nicht geschafft habe, muss ich weiter im Unterricht essen. Meine Lehrer wissen es alle – meine Eltern haben eine Info an alle Lehrer verschickt. Es gehen alle gut damit um, auch meine Klassenkameraden. Wenn dann mal im Unterricht mein Sensor piept, schauen mich erst einmal alle an, aber mittlerweile haben sie sich daran gewöhnt. Ich werde von keinem deswegen gehänselt oder aufgezogen.

Als ich Anfang der vierten Klasse im Krankenhaus war, haben sich meine Klassenkameraden Sorgen gemacht und mir eine Karte und ein Geschenk geschickt. Und als ich dann wiederkam, haben sie sich alle total gefreut. In der Grundschule musste ich mich am Anfang während des Unterrichts spritzen. Da haben sie dann zugeschaut, was ich nicht schlimm fand. Ich fand’s voll cool, dass sie sich dafür interessiert haben und von mir mehr wissen wollten.

Was bedeutet Diabetes für dich, was Freunde und Freizeit angeht?
Wenn ich mit meinen Freunden zusammen bin, spielt die Krankheit keine große Rolle. Wenn ich mich mit meiner besten Freundin treffe, dann fragt sie was los ist, wenn das Messgerät piept. Wenn der Wert viel zu niedrig ist, dann bin ich auch schon mal ein bisschen schwach und benommen. Meine beste Freundin kümmert sich in solch Situationen um mich und sagt: „Iss noch mal einen Traubenzucker“.
Auch wenn ich mich mit meinen anderen Freunden treffe, spielt der Diabetes keine große Rolle. Es gehört einfach dazu – ich brauche ja auch nicht ständig Hilfe, wie wenn ich zum Beispiel ein Bein gebrochen hätte.
In der Freizeit merke ich meine Krankheit eigentlich nur, wenn das Messgerät anfängt zu piepen, was ja auch nicht so dramatisch ist.
Bei Sport ist es etwas schwieriger: Wenn ich zum Tanzen gehe, muss ich schauen, dass mein Blutzuckerspiegel für die Zeit stabil bleibt. Da muss man so seinen Weg finden, was am besten passt, wieviel man vorher oder danach essen muss. Es kann auch mal vorkommen, dass der Wert trotzdem so niedrig ist und ich dies auch nicht regulieren konnte. Da musste ich dann nach zwei Dritteln der Zeit die Stunde abbrechen.

Hast du einen Tipp für Kinder, die die Diagnose bekommen?
Ich war am Anfang schon geschockt, als ich im Krankenhaus bleiben musste. Aber es gibt mittlerweile viele gute Dinge, wie beispielsweise den Sensor. Es tut überhaupt nicht weh, wenn man ihn setzt. Der Akku des Messgerätes hält ewig und ist sehr stabil.
Wenn man eine Familie hat, die hinter einem steht und mithilft und einen guten Arzt, dann wird das schon. Für mich ist die Krankheit nicht das Hauptproblem. Ich stehe jetzt nicht jeden Morgen auf und denke, ich habe Diabetes und muss meinen Tag danach takten. Ich kann zu Geburtstagen oder ins Schwimmbad gehen und auch Süßigkeiten essen – ich muss nur darauf achten.
Es gibt schon viele Besonderheiten, aber es ist nicht so, dass man sein komplettes Leben umstellen muss. Es wird einfach alles mit der Zeit. Es ist nicht so schlimm, wie man vielleicht denkt. Man muss genügend mit Insulin versorgt werden und sich ansonsten so eingrooven. Man muss seinen Körper kennenlernen und schauen, wie er reagiert.
Ich bin durch die Erkrankung auch zu einer Ernährungsexpertin geworden. Am Anfang haben wir noch genau in einem Buch nachschauen müssen, wieviel Kohlehydrate die Lebensmittel haben und sie dann abwiegen. Mittlerweile können meine Eltern und ich ziemlich genau schätzen, wieviel Kohlehydrate zum Beispiel ein Joghurt hat.

Vielen Dank, Johanna, dass du deine Erfahrungen mit uns teilst!

*Zum Schutz der Privatsphäre haben wir den Namen der im Main-Kinzig-Kreis lebenden Familie geändert.

Weitere interessante Beiträge für dich:

Pflegekinder in der Pubertät

Pflegekinder in der Pubertät

In der Pubertät stehen Pflegekinder vor besonderen Herausforderungen. Identitätsfragen, Loyalitätskonflikte und Unsicherheit prägen diese Zeit.

Pin It on Pinterest

Share This