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28.01.2016
Seit 2009 ist die Behindertenrechtskonvention (BRK) der UNO auch in Deutschland geltendes Recht. Mit Art. 24 der BRK soll die gemeinsame Beschulung behinderter und nicht behinderter Kinder in den Regelschulen etabliert werden. Dies bedeutet, kein Kind muss gegen seinen Willen oder den seiner Eltern eine Sonderschule besuchen.
Allerdings brauchen körperlich oder seelisch behinderte Kinder oftmals eine Person, die ihnen in der Schule Hilfestellungen gibt, um die behinderungsbedingten Defizite auszugleichen, einen sogenannten Integrationshelfer. Dieser unterstützt das Kind dabei, die im Unterricht anfallenden Angebote des Lehrers anzunehmen und zu verarbeiten. Er hilft auch bei lebenspraktischen Verrichtungen, erledigt anfallende Pflegetätigkeiten während der Schulzeit und unterstützt das Kind ganz allgemein bei der Orientierung im Schulalltag.
Wer aber finanziert diesen Helfer?
Zuständig sind die Sozialämter (bei ausschließlich psychisch behinderten Kindern auch die Jugendämter). Diese Stellen sind verpflichtet, dem Kind Eingliederungshilfe zu leisten. Dazu gehört auch die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung. Sie umfasst alle Maßnahmen, die erforderlich und geeignet sind, einem behinderten Kind eine im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbare Bildung zu ermöglichen, also falls erforderlich auch eine Schulbegleitung. An den Kosten für den Integrationshelfer müssen sich die Eltern nicht beteiligen.
Das Sozial-/Jugendamt leistet die Hilfe aber nur auf Antrag. Die Kostenübernahme erfolgt dann durch einen förmlichen Bescheid. Wird der Antrag abgelehnt, kann man dagegen binnen eines Monats Widerspruch einlegen. Wird auch dieser abgewiesen, so kann – wiederum binnen eines Monats – Klage beim Sozialgericht (bei Ablehnung des Jugendamtes beim Verwaltungsgericht) erhoben werden. Da die Schulbegleitung bereits zum Einschulungstermin bzw. bei Beginn des Schuljahres zur Verfügung stehen soll, empfiehlt es sich, den Antrag frühzeitig zu stellen. Falls er abgelehnt wird und der Beginn des Schuljahres „vor der Tür steht”, kann man beim Sozial- bzw. Verwaltungsgericht unverzüglich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen, die das Sozial-/Jugendamt verpflichtet, die Kosten für den Integrationshelfer vorläufig zu übernehmen.
Teilweise versuchen die Ämter die Kosten für eine Schulbegleitung an einer Regelschule mit dem Argument zu verweigern, das behinderte Kind könne eine Förderschule besuchen, wo es nicht auf einen Integrationshelfer angewiesen sei. Dieses Argument verfängt jedoch nicht, denn Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonvention in Verbindung mit dem Hessischen Schulgesetz gewährleistet das Recht des behinderten Kindes auf Besuch einer Regelschule.
Für behinderte Menschen und ihre Familien ist es oft schwer, sich im Dickicht der Sozialleistungen zurecht zu finden. Falls Sie hierbei Hilfe benötigen, lassen Sie sich beraten.
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Autorin:
Iris Borrée ist Anwältin in den Bereichen Sozial- und Familienrecht in Gießen, Mitglied des Fachbeirats Sozialrecht beim Weißen Ring und Aufsichtsratsmitglied der Albert-Schweitzer-Kinderdörfer Wetzlar und Hanau
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