Frau schreibt auf Smartphone

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„Shitstorm“ und seine Folgen im Arbeitsverhältnis

29.01.2020

Das Internet sowie die sozialen Medien bieten uns nicht nur unzählige, globale Informationen, sondern auch die Möglichkeit zu allem und jedem einen eigenen Kommentar abzugeben.

Erst kürzlich war die Aufregung in den Netzwerken wieder groß, als nach einem bekannten Kinderlied die motorradfahrende Oma von der „patenten Frau“ zur „Umweltsau“ umgedichtet wurde. Man gewinnt den Eindruck, dass viele Nutzer sozialer Medien vom sicheren heimischen Sofa aus in ungehöriger Ausdrucksweise sich gegenüber den Mitmenschen daneben benehmen wollen.

Nicht alle Kommentare in sozialen Medien sind noch von dem Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz) umfasst. Wenn zum Beispiel ein Arbeitnehmer in sozialen Medien abwertende Kommentare über Arbeitgeber, Kunden oder Arbeitskollegen schreibt, können diese eine Rufschädigung, Beleidigung oder Schmähkritik darstellen, welche arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung nach sich ziehen. So erhielt ein Auszubildender eine außerordentliche Kündigung seines Ausbildungsverhältnisses, nachdem er auf Facebook unter der Rubrik Arbeitgeber „Menschenschänder und Ausbeuter“ eingetragen hatte (LAG Hamm, Urteil v. 10. Oktober 2012 3 Sa 644/12). Die außerordentliche Kündigung des Auszubildenden wurde vom Gericht als wirksam erachtet.

Die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen schriftlicher Äußerungen, in denen er gegenüber dem Betriebsleiter vorwarf, Beschäftigte „wie Zitronen auszupressen“, Alte, Kranke und „Verschlissene“ gegenüber Gesunden und Jungen oder auch Leiharbeitnehmer und befristet Beschäftigte gegenüber der Stammbelegschaft „auszuspielen“, sah zunächst das Arbeitsgericht als begründet an. Jedoch wurde die Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht aufgehoben. Dieses stellte fest, dass die getätigten Äußerungen noch von der Meinungsfreiheit geschützt sind und sachbezogene Auseinandersetzungen durchaus scharf geführt werden dürfen. Allein in dem sinngemäßen Vorwurf an einen Vorgesetzten, ein „Ausbeuter“ zu sein, liegt daher keine Schmähkritik. Ein Sachbezug ist nicht von vornherein zu verneinen, wenn im Betrieb eine Rücksichtslosigkeit durch Diskriminierung kritisiert wird (BVerfG Beschl. v. 30.5.2018 1 BvR 1149/17).

Eine andere Arbeitnehmerin hatte auf ihrem Facebook-Account über Kunden ihres Arbeitgebers die Kommentare „kotzen die mich an“ und „diese Penner“ veröffentlicht. Die außerordentliche Kündigung der Arbeitnehmerin hatte keinen Erfolg. Die getätigten Äußerungen hielt das Gericht für noch vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt, da die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik oder gar ehrverletzenden Beleidigung nicht überschritten worden seien (VGH München, Beschluss v. 29. Februar 2012 12 C 12.264).

Dagegen wurde in einer anderen Entscheidung eine ordentliche Kündigung als wirksam erachtet, die sich auf Facebook-Beiträge eines Arbeitnehmers bezog, in welchen er seinen Vorgesetzten als „kleinen Scheißhaufen“, „Wichser“ und „faules Schwein“ bezeichnet hatte (ArbG Hagen, Urteil v. 16. Mai 2012 3 Ca 2597/11). Das Gericht begründete die Entscheidung damit, der Arbeitnehmer habe den Schutz der Privatsphäre und Meinungsfreiheit verloren, indem er die Äußerungen auf der Facebook-Pinnwand gepostet hatte und dadurch die Vertraulichkeit seiner Kommentare selbst aufgehoben habe.

Äußerungen von Arbeitnehmern auf privaten Facebook-Profilen, die einen rassistischen und menschenverachtenden Inhalt haben, können dann eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen, wenn sich aus dem Facebook-Profil ergibt, dass der Arbeitnehmer bei dem Arbeitgeber beschäftigt ist und die Äußerung ruf- und geschäftsschädigend sei. (ArbG Mannheim, Urt. v. 19.2.2016 6 Ca 190/15). In einem weiteren Fall versandte der Arbeitnehmer gegenüber seinem türkischen Kollegen über WhatsApps rassistische Bilder und Kommentare. Teilweise wurden diese während der Pausenzeit versandt. Das Arbeitsgericht hielt die außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmer für begründet (ArbG Stuttgart, Urteil vom 14.03.2019 – 11 Ca 3737/18). Aber auch Beleidigungen von Vorgesetzten in der Kommentarfunktion der Facebook-Chronik eines anderen Kollegen mittels Emoji können arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.6.2016 4 Sa 5/16).

Im Ergebnis bleibt festzuhalten: Die dargestellten Beispiele zeigen, dass sich bislang noch kein roter Faden im Umgang gebildet hat, sondern es sich stets um jeweils besonders gelagerte Einzelfallentscheidungen handelt. Arbeitnehmer dürfen unternehmensöffentlich sachliche Kritik an ihrem Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen üben. Dabei kann die Äußerung gegebenenfalls auch überspitzt und polemisch sein. Jedoch bei groben, ehrverletzenden Beleidigungen kann man sich nicht auf das Recht zur freien Meinungsäußerung berufen.

Der DGB Bayern hat dazu einen guten Vorschlag unterbreitet: „Bevor man einen Kommentar postet, stellt man sich vor, wie man ihn abends seinen Kindern, seiner Frau und seinen Eltern vorliest. Würde man sich dafür schämen, postet man ihn nicht.“

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Steffen Thiel

Autor:
SteffenThiel, Jahrgang 1973, ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er ist seit 2001 Rechtsanwalt, und seit 2012 Fachanwalt für Arbeitsrecht.
http://www.jobverteidiger.de/

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