Erwachsenen- und Kinderhände mit Münzen

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In Kinder-Käufe eingreifen

23.07.2020

Was passiert eigentlich, wenn man sich für die Auszahlung eines Taschengeldes entschieden hat und das Kind aber in Augen der Eltern etwas davon einkauft, mit dem sie nicht einverstanden sind?

Um dieser Frage nachzugehen sprach der GRASHÜPFER mit Rechtsanwältin Lilijane Grohmann:

Frau Grohmann, in welchem Umfang dürfen minderjährige Kinder über ihr Taschengeld verfügen? Müssen die Eltern der Ausgabe vorher zustimmen oder diese nachträglich genehmigen?
Die gesetzlichen Regelungen hierzu finden wir in den §§ 107 bis 113 BGB. Der als Taschengeldparagraph bezeichnete § 110 BGB besagt, dass ein von einem Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag, als von Anfang an wirksam gilt, wenn der Minderjährige die vertragsgemäße Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind.
Das bedeutet, dass ein Minderjähriger mit seinem Taschengeld Verträge schließen kann und diese ohne weitere Zustimmung oder Erklärung der Eltern wirksam sind, wenn er die Gegenleistung mit seinem Taschengeld sofort bezahlen kann.
Ganz gleich wieviel Taschengeld das Kind bekommt, mit der Zahlung des Taschengeldes unterstellt der Gesetzgeber, dass die Eltern konkludent in die Verträge des minderjährigen Kindes eingewilligt haben. Die Höhe des gewährten Taschengeldes bestimmt also den Umfang innerhalb dem die Kinder handeln dürfen.
Bekommt der Minderjährige also ein Taschengeld von 200 Euro und kauft er sich hiermit eine Uhr, bezahlt er die Uhr direkt und erhält sie auch unmittelbar ausgehändigt, so ist dieser Kaufvertrag wirksam.
Aber Achtung, es gibt hier ganz kuriose Fälle, die auf den ersten Blick unter den Taschengeldparagraph zu fallen scheinen, die aber durch ein Gericht anders bewertet wurde.

Können Sie uns einen solchen Fall schildern?
Sehr gerne! Zum Beispiel, wenn das Kind von Anfang an davon ausgehen muss, dass die Eltern diesem Geschäft nicht zugestimmt hätten, dann ist der Vertrag nicht wirksam.
Das AG Freiburg hatte vor vielen Jahren einen Fall zu entscheiden, da kaufte ein 14-jähriger Junge eine Pistole (sog. Airsoftgun) nebst dazugehöriger Munition. Diesen Kauf tätigte er heimlich und ohne Zustimmung der Eltern. Einige Tage später fanden die Eltern die Waffe nebst Resten der Munition, denn einen Teil hatte er schon verbraucht.
Die Eltern verklagten den Verkäufer erfolgreich auf Rücknahme der Waffe und Munition gegen Erstattung des vollen Kaufpreises.
In diesem Fall war es so, dass der 14-jährige Junge in der Verhandlung erklärte, dass ein Einverständnis seiner Eltern zum Kauf einer Airsoftgun Beretta M92FS nicht vorgelegen hatte, dass ihm vielmehr im Vorhinein klar gewesen sei, dass sich die Überlassung seines Taschengeldes gerade nicht auf den Kauf einer solchen Spielzeugwaffe erstreckt habe. Er habe deshalb den Kauf insgeheim getätigt und die Waffe in seinem Zimmer versteckt.
Der Verkäufer musste den Vertrag rückabwickeln, die Waffe und die Munition zurücknehmen und den Kaufpreis erstatten. Außerdem hatte er die gesamten Gerichts- und Anwaltskosten zu tragen, da er den Rechtsstreit verloren hatte.

In welchem Fall müssen Eltern in den Vertragsabschluss durch ihr Kind einwilligen?
Gemäß § 107 BGB müssen Eltern grundsätzlich in alle Willenserklärungen ihres Kindes einwilligen. Ausnahmen hiervon sind solche Geschäfte, die für das Kind lediglich rechtlich vorteilhaft sind. Die Einwilligung entfällt hier, weil man davon ausgeht, dass das Kind nicht schutzbedürftig ist, wenn es „ja nur“ ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft abschließt.
Ein lediglich rechtlicher Vorteil wird angenommen, wenn die rechtlichen Folgen des Geschäfts ein Vorteil sind, auf eine wirtschaftliche Betrachtung kommt es hingegen nicht an.
Der Erwerb eines Grundstücks, die Übereignung einer Sache oder die Abtretung einer Forderung an einen Minderjährigen sind zum Beispiel ein solcher lediglich rechtlicher Vorteil. Das gilt auch dann, wenn die Sache mit öffentlichen Lasten, einem Wohnrecht oder einem Nießbrauch belastet ist, da die Belastung den Vorteil nur einschränkt, aber nicht aufhebt. Da es nicht auf eine wirtschaftliche Bewertung ankommt, ist das Geschäft auch dann grundsätzlich zustimmungsfrei, wenn die Belastungen größer sind als der Grundstückswert.

Dürfen Minderjährige denn alleine – ohne Eltern – ein Girokonto eröffnen, um ihr Taschengeld darauf einzuzahlen und mit Girokarte auszugeben?
Nein, das minderjährige Kind darf ein Girokonto nicht selbständig eröffnen, denn die Eröffnung eines Kontos ist für das Kind mit rechtlichen Nachteilen verbunden, denn es verpflichtet sich zum Beispiel zur Zahlung etwaiger Kontogebühren. Minderjährige brauchen deshalb zur wirksamen Eröffnung eines Kontos die Einwilligung ihrer Eltern. Das gilt auch für andere Bankverträge wie Überweisungen, Barabhebungen oder den Antrag einer Zahlungskarte. Die Kontoeröffnung muss durch die Eltern genehmigt werden, um wirksam zu werden. Verweigert auch nur ein Elternteil seine Zustimmung, kommt der Vertrag nicht zu Stande.

Vielen Dank für das Interview.

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Lilijane Grohmann

Unsere Interview-Partnerin:
Lilijane Grohmann arbeitet seit mehr als zehn Jahren als Rechtsanwältin mit den Schwerpunkten Familien- und Erbrecht in Gießen
www.ra-grohmann.de

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